Nachrichten und Nachdenkliches

Karfreitag: Geborgen

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Ein Friedhof einer Gemeinde in Oberbayern. Hier liegen sie Reihe für Reihe, Grab für Grab, die verstorbenen Frauen, Kinder und Männer vom Ort. Geordnet und aufgereiht, ein Platz für die ewige Ruhe. An den Gräbern lässt sich die Bedeutung erahnen, die den Verstorbenen zu Lebzeiten zugekommen ist. Ein eigener Bereich, nahe an der Friedhofskapelle aus dem Spätmittelalter ist den „Kirchenmenschen“ vorbehalten. Priestergräber, einmal im Jahr gesegnet vom amtierenden Pfarrer.

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Reihe für Reihe, Grab für Grab, liegen sie, vergangen, wieder zur Erde geworden, aus der Gott die Menschen einst geschaffen hat. Ihr Leben mit Höhen und Tiefen ist vergangen, gegenwärtig sind die Verstorbenen in der – allerdings allmählich verblassenden – Erinnerung der Hinterbliebenen. Apothekerin, Metzgermeister, Krämersfrau, Dorfärztin, Fuhrunternehmer: Die Liste auf den Grabsteinen ist lang und zeigt Familiengeschichten und Beziehungen der Ortsgemeinschaft. Doch für die, die hier liegen, ist dies Vergangenheit. Für die Hinterbliebenen ist der Gottesacker ein Ort für die Trauer und die gelebte Erinnerung.

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Reihe für Reihe, Grab für Grab ein individuelles Sterben, und doch auch ein Ort der sozialen Begegnung. Im November, zu Allerheiligen und zum Ewigkeitssonntag, aber auch vor den kirchlichen Hochfesten herrscht eifriges Treiben an diesem sonst eher stillen Ort. Die Gräber werden gerichtet, der Blumenschmuck in Ordnung gebracht. Grüße und Fragen gehen über die Gräber hinweg: „Wie geht’s dir, Barbara?“, fragt eine Witwe die andere. „Danke, wird schon. Ich muss mich halt erst dran gewöhnen, dass er fehlt. Aber die Kinder kümmern sich um mich.“ Der erlittene Verlust eines geliebten Menschen ist leichter zu ertragen, wenn er nicht allein ausgehalten werden muss.

Und trotzdem: Aus den Gräbern kommt keiner lebend zurück. Unwiederbringlich ist das Leben vorbei. Wer hier liegt, hat auf dieser Erde keine Zukunft mehr. Die Verbindung ins Hier und Jetzt ist abgebrochen. Da helfen auch
stille Zwiesprachen der Hinterbliebenen mit ihren verstorbenen Angehörigen nichts. Wer hier liegt, der bleibt. Wer hier angekommen ist, hat sich endgültig aus diesem Leben verabschiedet.

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Mitten auf dem Friedhof: Ein Kreuz. Zeichen des verstorbenen und hingerichteten Gottessohnes. Als ob er die Gräber segnet, breitet er die Arme über ihnen aus. Er segnet die verstorbenen Menschen, die hier liegen, er segnet die, die um sie trauern.

Gott selbst hängt am Kreuz, als gestorbene Hoffnung an genau diesem Ort – und zugleich als lebendige Hoffnung auf die Zukunft bei ihm in seiner Ewigkeit.

„Schaut mich an“, scheint er uns einzuladen, „ich war auch da unten, wo eure Lieben liegen. Ich kenne den Schmerz, die Verlassenheit, das Ende. Ich habe es ausgehalten. Für euch, für dich!“. Seit Karfreitag gibt es keinen Ort der Gottverlassenheit mehr. Selbst der Tod ist nicht von Gott verlassen. Du kannst nicht tiefer fallen, als in die liebenden Hände Gottes.

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Mitten auf dem Friedhof ist Gott da, als gekreuzigter Mensch und auferstandener Christus. Er ist da, wo wir hinkommen, wenn das Leben zu Ende ist: Mitten zwischen den Gräbern. Er ist dabei, wenn wir sterben, er ist dabei, wenn wir tot sind. Er ist bei den Lebenden und Sterbenden, wie an seinem Todestag, als zwei andere mit ihm gekreuzigt wurden.

Hinter dem Kreuz strahlt die Sonne. Ein Bild, das über den Karfreitag hinausweist. Christus am Kreuz, angestrahlt vom Licht des Osterfestes. Dieses Licht scheint auch über den Gräbern, Gottes Zusage der Auferstehung trifft auf die, die hier liegen, und auf die, die um sie trauern.