Nachrichten und Nachdenkliches

Eine lichte Andacht

Durch das Dunkel ins Licht
Gedanken zu Markus 16,1-8

Gleißendes Licht im Dunkel. Eine helle Lichtquelle, die aufgehende Sonne. Der Raum, in dem ich bin, liegt noch im Dunkel. Draußen ahne ich die ersten Bäume, Häuser. Höre Vogelstimmen. Ein neuer Tag ist angebrochen.

Steh auf, die du schläfst. Dein Blick geht ins Licht. So hell ist das Licht, dass es blendet. Ich muss die Augen zusammenkneifen, sonst hielte ich es nicht aus. Das Fensterkreuz lässt mich die Helligkeit ertragen. Es lenkt meinen Blick auf die aufgehende Sonne. Wenn das Dunkel in meinem Raum weicht, wird das Kreuz weniger sichtbar sein. Aber es wird bleiben. Das Kreuz, das meinen Blick lenkt.

Das Kreuz gibt meinem Blick eine Struktur. Ich sehe nicht die gleißende Helligkeit, die mich blendet und keine Einzelheiten mehr erkennen lässt. Ich werde nicht überwältigt. Ich behalte meine Orientierung. Das Lichtkreuz gibt dem, was ich sehe, seine Kontur. Die Äste und Zweige des Baums vor dem Fenster. Das Dach. Vielleicht wird gleich ein Vogel vorbeifliegen, dessen Stimme ich jetzt schon hören kann. Die Formen der Wolken. Das Lichtkreuz ordnet die Welt und macht sie sichtbar. Es gibt der aufgehenden Sonne Farbe. Das gebrochene Licht sorgt für rote Lichtpunkte in seinem Umkreis und für einen farbigen Rahmen um die Helle. Ohne das Kreuz bliebe die Farbe mir verborgen.

Durch das Lichtkreuz sehe ich in eine helle Welt. Ich bin noch im Dunkeln, aber ich weiß, dass es auch in meinem Raum hell werden wird. Ich erhasche schon einen Blick in das, was kommen wird. Und das, was kommen wird, ist ohne das Kreuz nicht zu haben. Erst wenn alles hell ist, wird es verblassen – aber es bleibt da. Es vergeht nicht.

Ostern bringt die Ahnung, dass die Dunkelheit endet. Das Licht ist stärker als das Dunkel, die Freude ist tiefer als die Trauer, die Hoffnung größer als die Angst. Aber es ist erst eine Ahnung.

Die Ostererzählung im Markusevangelium nimmt ernst, dass die Osterfreude durch die Furcht hindurch muss und sich nicht sofort ohne weiteres einstellt. Das Kreuz bleibt auch in der Osterbotschaft bestimmend, als der Engel den Frauen sagt: Ihr sucht Jesus von Nazaret den Gekreuzigten (Mk. 16,6). Der Auferstandene ist der Gekreuzigte, und auch wenn das Grab leer ist, trägt er doch die Spuren des Kreuzes an seinem Auferstehungsleib. Dabei wird das Kreuz aber durchsichtig auf das Licht hin.

Die aufgehende Sonne, von der auch das Osterevangelium berichtet (Mk. 16,2) und die ein Wortbild für Gott ist (vgl. Ps. 84,12; Jes. 60,19f.), lässt das Kreuz allererst licht und meine Welt im Dunkel bunt werden. Ich will aufstehen und dem Tag entgegen gehen. Ich will aufstehen ins Licht hinein, die Augen öffnen, getrost und zuversichtlich, und mitnehmen, was mich schmerzt und was mich stärkt.