Im Focus

2. Oktober: Erntedank bei uns und in aller Welt

Wir laden herzlich zu unserem Erntedankgottesdienst am 2. Oktober um 10 Uhr ein. Gemeinsam wollen wir Gott einfach mal „Danke sagen“ für all das Gute, das er uns schenkt. Dabei darf Erntedank ein Augenschmaus sein: Die wird üppig mit Erntegaben geschmückt: Brot, Äpfel, Kartoffeln, Kürbisse, Getreideähren. Bei uns in Rheinhessen dürfen natürlich Trauben und Wein nicht fehlen.
Wer mag, kann gerne dazu beitragen! Bringen Sie ihre Garben einfach zu Öffnungszeiten vorbei oder schreiben Sie uns eine kurze Mail zur Terminvereinbarung.

Im Anschluss an den Gottesdienst laden wir zum Beisammensein beim ausgedehnten Kirchencafe ein. Und am Abend kann man den Tag gechillt bei netter Jazzmusik ausklingen lassen (unsere neue Konzertreihe „Die Jazzsoirée startet um 17 Uhr).

So feiern wir also Erntedank. Aber woher kommt diese Tradition? Und was hat es dann mit dem amerikanischen Thanksgiving im November auf sich? Feiern das auch Inder und Chinesen?

 

Erntedankfeste sind älter als das Christentum

Erntedankfeste gab es schon vor dem Christentum. Gott für die Ernte zu danken, gehörte zu allen Zeiten zu den religiösen Grundbedürfnissen. Im Judentum gibt es zwei Erntedankfeste: das Fest für die ersten Früchte, die geerntet wurden (Schawuot) und das Laubhüttenfest (Sukkot) am Ende der Lese.

Im Christentum ist das Erntedankfest seit dem 3. Jahrhundert belegt. Da die Ernte je nach Klimazone zu verschiedenen Zeiten eingebracht wird, gab es nie einen einheitlichen Termin. Der Grundgedanke von Erntedank: Der Mensch kann viel tun, damit seine Arbeit fruchtet. Aber er hat das Gelingen letztlich nicht in der Hand, darum der Dank an Gott als den Schöpfer aller Gaben. Danken und Teilen gehören zusammen. Erntedankgottesdienste sind daher oft mit einer Solidaritätsaktion zugunsten notleidender Menschen verbunden. Wie aber sieht Erntedank in anderen Ländern aus?

Nordamerika: Thanksgiving im November

Jim und Joachim, ein amerikanisch-deutsches Paar, beschreiben, wie „Thanksgiving“, das amerikanische Erntedankfest gefeiert wird:

„Thanksgiving ist immer der Donnerstag vor dem 1. Advent. Der historische Hintergrund: Als die ersten Siedler aus Europa in Amerika ankamen, war ihr Saatgut auf der Schiffspassage unbrauchbar geworden. Es drohte der Hungertod. Die Ureinwohner, die sie Indianer nannten, halfen ihnen mit den so genannten ‚drei Heiligen‘: Mais, Kürbis, Bohnen. Daraus zogen sie Samen und überlebten. Ihr erstes Erntedankfest feierten die Weißen wohl noch mit den Indianern. Die Dankbarkeit hielt nicht lange an.

Indianer-Stämme wurden ausgerottet, in Reservate gebracht und ausgebeutet. Thanksgiving begleitet ein latent schlechtes Gewissen. Die Familie von Jims Großmutter, einer Cree-Indian, erhielt noch Hilfspakete von der US-Regierung. Heute ist Thanksgiving das wichtigste Fest im Jahr, ein typisch familienorientiertes Fest. Alle kommen zusammen. Es ist wenig kommerzialisiert, ein Stück unberührte, heilige Tradition. Zu einem richtigen Thanksgiving-Essen gehört auf jeden Fall der Truthahn.

Ein Truthahn wird jedes Jahr vom US-Präsidenten begnadigt. Seine Artgenossen landen im extra großen Backofen und werden mit Soße aufgetischt. Dazu gibt es Mais, Süßkartoffeln, grüne Bohnen, Weißbrot und Cranberry-Soße, danach haufenweise süße Kuchen. In christlichen Familien wird vor dem Essen ein Dankgebet gesprochen. In eher weltlich angehauchten Familien fasst man sich an den Händen. Wer mag, sagt, wofür er oder sie dankbar im Leben ist.“

Dank für Regen in Afrika

Henriette hat mit ihrem Mann und zwei Töchtern sieben Jahre in Tansania gelebt. Schlechtes Wetter ist gutes Wetter, das hat sie dort gelernt:

„‚Habari za mvua? ‘ (Was gibt es Neues vom Regen?) So wird häufig gefragt, wenn man sich trifft und plaudert. Das fand ich am Anfang merkwürdig. Regen in Deutschland bedeutet meistens schlechtes Wetter. Aber Regen ist Segen, besonders in Tansania. Ohne Regen gibt es keinen Mais. Ohne Regen haben die Staudämme kein Wasser, die zur Stromerzeugung dienen. Es fallen Strom und Wasser aus.

Die Erntezeit hängt nicht von den Jahreszeiten ab. Entscheidend sind die Regenzeiten, die regional verschieden sind. Im Süden Tansanias dauert die Regenzeit von Dezember bis April. Im Norden des Landes gibt es eine kleine Regenzeit im November oder Dezember und eine große Regenzeit im April oder Mai. Als einmal die kleine Regenzeit ausfiel, hat es von August bis Februar überhaupt nicht mehr geregnet. Ich konnte mir kaum mehr vorstellen, dass aus Wolken Regen fallen kann, während meine Mutter am Telefon von meterhohem Schnee in Deutschland erzählte. Regen wird also begeistert gefeiert. Dafür nehmen die Tansanier auch gerne in Kauf, dass die Wege verschlammen und zum Teil unpassierbar sind.

Die christlichen Gemeinden in Tansania sind sehr von den Kirchen in Deutschland und Schweden geprägt. Sie feiern, regional verschieden, Erntedank sehr ähnlich zu dem wie wir es kennen. Auch während des Jahres kommen Menschen am Ende des Gottesdienstes mit ihren Erntegaben und wollen sie segnen lassen.“

Asien: Mondfeier in China

Annette ist Pfarrerin in der deutschsprachigen Gemeinde in Shanghai. Sie erlebt in China eine Mischung ganz unterschiedlicher Traditionen:

„Erntedank als ein besonderes christliches Fest gibt es in den Kirchen Chinas nicht. Hier haben viele Missionare aus Amerika gewirkt. Darum begehen einige Gemeinden eine Art Thanksgiving.

Andere feiern rund um die Frühjahrsfestlichkeiten den Segen der Schöpfung. Das ist von Ort zu Ort, von Pfarrer zu Pfarrer verschieden. Überall in China, auch von Christen und Christinnen wird das ‚Mitt-Herbst-Fest’ begangen. Hauptperson ist der Vollmond. Er soll in der Mitte des achten Monats besonders schön leuchten. Das Fest ist vor allem ein Familienfest. Man kommt zusammen, sitzt gemeinsam auf der Terrasse, betrachtet den Mond und liest Gedichte über den Mond. Dazu gibt es Mondkuchen mit regional unterschiedlichen Rezepten.

Das Mitt-Herbst-Fest geht wohl auf taoistische Traditionen zurück. Es hat ursprünglich etwas mit Erntesegen zu tun. In der Kirche Chinas gibt es derzeit eine starke, auch von der Kommunistischen Partei geförderte Tendenz, sich stärker auf die einheimische Kultur zu besinnen. Man versucht, alte chinesische Traditionen mit dem christlichen Festkalender zu verbinden. Bei vielen Christinnen und Christen bemerkt man ein Zögern: ‚Wir machen mit, aber eigentlich ist das doch heidnisch, oder?’ Traditionen in China haben einen schlechten Stand. Zu oft wurde in den letzten Jahrhunderten versucht, ihnen die Wurzeln auszureißen. Entsprechend groß ist aber auch die Sehnsucht danach.“

Erinnerung an einen guten König in Indien

Johny Thonipara kommt ursprünglich aus Indien. Er ist Pfarrer im Zentrum Ökumene der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN):

„Indien ist groß. Es gibt viele Klimagebiete und keinen festen Termin für die Ernte. Ein typisch christliches Erntedankfest gibt es nicht. Zu unterschiedlichen Zeiten im Jahr kommen Menschen nach dem Gottesdienst zum Altar und lassen sich segnen. Der Pfarrer spricht Dankgebete für das, was sie mitbringen. Wichtig ist in den Gemeinden der Gemeinschaftsaspekt: gemeinsam danken, essen, teilen. Erntedank ist auch eine Einnahmequelle: Es finden Versteigerungen und Wettkämpfe statt. Der Erlös kommt kirchlichen Projekten zugute. Die EKHN hat eine Partnerschaft mit der Kirche im Süden Indiens, in der Diözese Ost-Kerala. Kerala ist bekannt für sein Fest ‚Onam’, eine Art Erntefest, das auch von Christen mitgefeiert wird.

Die Geschichte dahinter: In Kerala regierte einst König Mahabali. Unter ihm waren alle gleich, satt und zufrieden. Die Götter wurden eifersüchtig. Ein Gott ging als Zwerg zum König: ‚Gib mir nur drei Schritt Land.’ König Mahabali willigte ein. Da wurde der Zwerg zum Riesen. Sein erster Schritt bedeckte die Erde, der zweite den Himmel. Den dritten Schritt setzte er auf den Kopf des Königs und drückte ihn in den Boden. Der konnte noch einen Wunsch äußern: einmal im Jahr sein Volk besuchen zu dürfen. Das wird alljährlich in Kerala gefeiert mit Tanz und Musik in den Straßen. Und natürlich mit gemeinsamem Essen. Manche Christen haben Bedenken, doch die meisten feiern mit.“

Europa: Orthodoxe essen Trauben im August

Für Europa steht einmal nicht die katholisch und evangelisch geprägte Welt. Athenagoras Ziliaskopoulos, Pfarrer in der griechisch-orthodoxen Kirche „Prophet Elias“ in Frankfurt, beschreibt, wie Erntedank in der griechisch-orthodoxen Kirche aussieht:

„Es gibt bei uns kein Erntedankfest im hiesigen Sinne oder in der Form, wie es hierzulande gefeiert wird. Jedoch gibt es etwas Ähnliches, das klimabedingt am 6. August stattfindet: nämlich einen Dankgottesdienst für die erste Traubenernte. Am 6. August, dem Fest der Verklärung Christi, werden große Mengen Trauben von den Gläubigen zum Gottesdienst gebracht. Der Priester segnet sie und verteilt sie an die Gemeinde. Viele essen keine Trauben vor dem 6. August. Dann gibt es, regional und landwirtschaftlich bedingt, Gebete zur Segnung der Saaten.

Das ganze Jahr über wird zu Ehren der vielen Heiligen mit Zucker und Nüssen gekochter Weizen zur Segnung in die Kirche gebracht. Das ist besonders wichtig, wenn in der Familie ein Namenstag gefeiert wird. Wer Namenstag hat, verteilt am Kirchenausgang Weizen und Brot an die ganze Gemeinde. Mit dem dazugehörigen Segensgebet wird Gott für die Gaben der Erde gedankt.

Ebenfalls zu diesem Anlass und zur Erinnerung an das Wunder der Brotvermehrung Christi werden fünf Brote und -anstelle der zwei Fische- Öl und Wein gesegnet. Dieser Ritus heißt ‚Artoklasia’, aus dem Griechischen übersetzt ‚Brotbrechen’. Die Artoklasia wird in Deutschland auch bei großen ökumenischen Gottesdiensten gefeiert, zum Beispiel 2010 beim ökumenischen Kirchentag in München.“